Kunst am Bau – Entwurf für LaGa – Havelaltarm – Rathenow 2006

Räumliches Konzept: Die Installation „Wasserlinse“ (Arbeitstitel), deren Name sich spielerisch anlehnt an die gleichnamige Wasserpflanze, bezieht sich neben dem Element Wasser, auf dessen Oberfläche sie schwimmen soll auf das Wort Linse, um den Aspekt Optik / Licht zu verdeutlichen.

Vorgesehen sind drei Gruppen schwimmender Formen aus hochglanzpoliertem Edelstahl, die jeweils ca. 1-1,5 qm2 Ausdehnung haben und aus bis zu fünf Einzelformen bestehen können. Die Elemente sind amorph und jeweils verschieden voneinander geformt und befinden sich, untereinander beweglich verbunden und mit einer Verankerung am Flussgrund festgemacht an drei ausgewählten Punkten inmitten des Havelaltarms.

Im Gegensatz zu eher didaktisch geprägten Installationen auf dem Gelände sind diese schwimmenden Ensembles Orte der kontemplativen Betrachtung und Einkehr.

Der Stand der Sonne, die Bewölkung und ganz besonders die Eigenbewegung des Betrachters haben wesentlichen Einfluss auf die Wahrnehmung dieser Objekte.

Eine erste Spiegelinstallation sollte sich in unmittelbarer Nähe zum Steg („Weißes Café) befinden, eine zweite könnte folgen inmitten des Havelaltarms, um entfernt vom Weg aus als auch im Vorübergleiten vom Floß aus wahrgenommen zu werden. Eine dritte Gruppe wäre im hinteren Bereich in Nähe des Bootsanlegers vorstellbar.

Inmitten des bewegten Wassers sind es „Inseln“, die zur bewussten Wahrnehmung der Natur anregen und darüber, was die Anmutung des Natürlichen im Gegensatz zum Künstlichen in uns anstößt.

Künstlerische Idee: Die zu Gruppen aus bis zu fünf Elementen angeordneten Spiegelflächen dienen zunächst dazu, die Reize des Wassers virtuell zu verdoppeln, denn die Wasseroberfläche stellt ebenso einen Spiegel dar.

Nur machen wir uns die nahezu magischen Eigenschaften eines Spiegels nicht so sehr bewusst, wenn es sich um eine natürliche Wasseroberfläche handelt, da sie ja natürlichen Ursprungs ist. Da wir um die deformierende Eigenschaft bewegten Wassers wissen, die es zum Zerrspiegel macht, interpretieren wir nahezu automatisch das verzerrte Bild und rekonstruieren daraus das korrekte Bild, das unserer Wahrnehmung zu Grunde liegt. Nun schwimmen aber inmitten dieses natürlichen Spiegels aus Wasser von Menschenhand geschaffene Spiegel auf dessen Oberfläche, die besonders geeignet scheinen, den Spiegel als ein „Schwellenphänomen“ wahrzunehmen. Spiegel lassen uns die Schwelle zwischen Wahrnehmung und Bedeutung erfahren.

Denn ein Spiegel spiegelt nur das Hier und Jetzt, er verweist lediglich auf die in diesem Moment tatsächliche Existenz des reflektierten Objektes, währenddessen unser eigenes erlebtes Zeitgefühl sich ständig in gerade eben vergangenen oder demnächst stattfindenen Zuständen bewegt. Während die Fotografie das Spiegelbild praktisch „einfriert“ und eine fotografische Spur des Gewesenen hinterlässt, „registriert“ der Spiegel lediglich (im Volksmund heißt es, der Spiegel „sage die Wahrheit“).

Spiegel sind nicht wie die Fotografie in der Lage, die Wirklichkeit zu interpretieren und sie ins Symbolische oder Allgemeine zu überführen – indem sie nur reflektieren, zeigen sie uns den Einzelfall (ein im Spiegel erzeugtes Bild ist „virtuell“ und kann nicht von einem Bildschirm aufgefangen werden. Im Gegensatz dazu liefert die Fotografie ein „reelles“ Bild, es kann von verschiedenen Medien aufgefangen werden und über sich selbst hinausweisen, aber es kann auch „lügen“!).

Gleichwohl macht es das Mysterium des Spiegels aus, das sich mit seiner Hilfe kein Bild erzeugen lässt, das wahrer ist als das Original und doch ist der Spiegel selbst ein Symbol und stellt so etwas wie das „Bewußtsein“ dar. Das Verhältnis von Bewußtsein/Geist zu Materie entspricht dem Verhältnis des Spiegels zu seiner Umgebung.

Bekanntlich hat der Spiegel eine blinde Rückseite (und die Natur ist eine Art „Rückseite“ unseres Bewusstseins) und doch erscheint uns das vom Spiegel erzeugte Bild hinter dessen Rückseite, in Symmetrie zum Abstand des Gegenstandes zur Spiegeloberfläche.

Diese Überlegungen sollen den kontemplativen Charakter verdeutlichen, den Spiegelobjekte auslösen.

Die an organische Formen erinnernden Spiegelgebilde verweisen auf die Selbstorganisation von losen Formen, wie sie auf dem Wasser treiben (Schaumbläschen, Blütensamen etc.) und ordnen sich fast mimikryartig der Wasseroberfläche unter und doch fallen sie je nach Standpunkt und Eigenbewegung des Betrachters aus dem Zusammenhang heraus und bilden ganz eigene Räume und Wahrnehmungsebenen.

Da nach dem Reflexionsgesetz der Einfallswinkel gleich dem Ausfallswinkel ist, werden weiter vom Ufer entfernte Besucher die „Wasserlinsen“ eher als farbige oder besonders scharf abgezeichnete oder anders strukturierte Einsprengsel im Wasser wahrnehmen, die auf dem Floß befindlichen oder die am Steg verweilenden Personen in unmittelbarer Nähe werden die Spiegelflächen dagegen als helle Flächen wahrnehmen, die den Himmel und/oder die Baumkronen spiegeln.

Indem oben und unten, nah und fern, fest und flüssig, oberflächlich und tief für das Auge zusammengebracht werden, verweisen die Objekte auch auf grundlegende optische Errungenschaften, deren Anliegen es immer war, den Aktionsradius unseres natürlichen Wahrnehmungsorgans Auge zu erweitern.

Technische Realisierung
Die amorphen Spiegelformen sind aus ca. 3mm dicken hochglanzpolierten spiegelnden Edelstahlplatten gefertigt. Getragen werden die Spiegel im Wasser von Schaumpolysterolplatten in der Form der Spiegel, nur etwas kleiner, so das deren Ränder von schräg oben betrachtet unsichtbar bleiben. Die Platten werden mit wasserfestem Kleber dauerhaft zusammengefügt. Die einzelnen Spiegel werden dann untereinander mit Bögen aus Edelstahl (Durchmesser 6-8mm) verbunden. Die Bögen werden über gewebeverstärkte Gummielemente flexibel mit den Spiegeln verbunden. Vom Sternpunkt der Bögen führt eine rostfreie Kette zu einem Ankergewicht. Die Kette muss so bemessen sein, das sie die unterschiedlichen Wasserstände ausgleichen kann. Die gesamte Installation kann zum Winter hin im Ganzen dem Wasser entnommen werden.

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